Alleinstehende benachteiligt

NZZ 18. Januar 2013, von Sylvia Locher

Zu den Effekten eines Übergangs zur Individualbesteuerung.

Die Individualbesteuerung einzuführen, damit Ehepaare weniger streiten, ist eine absurde Forderung der Mediatorin Margareta Egli (NZZ 11. 1. 13). Genauso gut könnte man von künftigen Ehepaaren verlangen, dass sie ihre Bedürfnisse in Bezug auf Finanzen, Kinderwunsch, Beteiligung an Haushaltarbeiten, Pensum der Berufstätigkeit und vieles mehr vor der Eheschliessung klären und in einem Vertrag festhalten. Ebenso unzutreffend ist EglisDarstellung, dass ein Ehepaar 40 Prozent mehr Bundessteuern als ein Konkubinatspaar bezahlen müsse. Seit Januar 2011 ist das Bundesgesetz über die steuerliche Entlastung von Familien mit Kindern in Kraft. Es verbessert die Steuergerechtigkeit zwischen Personen mit und ohne Kinder.

Die sogenannte Heiratsstrafe wurde durch Sofortmassnahmen ab 2008 wesentlich gemildert.Ausserdem ist die Bundessteuer faktisch eine Reichtumssteuer. Kleine Einkommen fallen bei der Bundessteuer überhaupt nicht ins Gewicht. Ein Einkommen von 50 000 Franken pro Person hat demzufolge steuertechnisch keine grosse Bedeutung. Zurzeit bezahlen gut bis sehr gut verdienende Zweiverdienerehepaare mehr Bundessteuern als Konkubinatspaare mit gleichem Einkommen. Dem gegenüber stehen aber erhebliche Vorteile für Ehepaare. So sind sie – und das ist bei gut Verdienenden nicht unwesentlich – von der Erbschaftssteuer befreit, wogegen Konkubinatspaare bei einer Erbschaft in der Regel nicht steuerfrei ausgehen. Auch unsere Sozialversicherungen sind eindeutig auf Ehepaare und Familien ausgerichtet. Gesamthaft überwiegen die Vorteile der Ehepaare. Wenn über Steuersysteme diskutiert wird, werden übrigens immer Vergleiche zwischen Ehepaaren und Konkubinatspaaren angestellt. Alleinstehende sind genauso betroffen, wenn es ums Zahlen geht – nur wird ihre Situation von der Politik kategorisch ausgeblendet.

Mit der Individualbesteuerung würden alle gleich behandelt, sagt Margareta Egli weiter. Auf den ersten Blick scheint diese Theorie logisch. Alle würden vermeintlich gleich behandelt. Das stimmt aber so nicht. Denn Steuern werden nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erhoben. Diese ergibt sich nicht nur aus den Einnahmen eines Haushaltes, sondern auch aus den Ausgaben. Wenn ein Paar zweimal 50 000 Franken verdient, bleibt ihm am Schluss viel mehr übrig als einer allein lebenden Person mit einem Verdienst von 50 000 Franken, weil es doppelt so viel verdient und ausserdem die Kosten für den Haushalt teilen kann. Das hält übrigens auch die Finanzdirektion in ihrem letztjährigen Bericht zur Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer fest. Aus diesem Grund lehnt sie die Individualbesteuerung ab. Alleinstehende und Alleinerziehende würden stark benachteiligt, weil sie keine Abzüge geltend machen könnten.

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