Auf Kosten der Alleinstehenden

Gastkommentar von Sylvia Locher in der NZZ, 12.2.2016

Es ist völlig unverständlich, wie in einer Initiative wie derjenigen der CVP «Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe» zwei völlig verschiedene Bereiche wie Steuern und Sozialversicherungen vermischt werden können.

Die Sozialversicherungen werden zurzeit in der «Altersvorsorge 2020» geregelt und haben jetzt in einer Abstimmung über eine fiskalische Reform nichts zu suchen.

Ausserdem verläuft diese Diskussion rund um die CVP-Initiative sehr einseitig. Sie vergleicht bei der AHV die Ehepaarrente mit den Renten von Konkubinatspaaren. Sie übersieht dabei die Einzelhaushalte. Aber gerade bei der AHV tragen die Alleinstehenden die grösste Last.

Eine unverheiratete und kinderlose Person bezahlt gleich viel AHV-Beiträge wie ein Familienvater mit Kindern, dessen Ehefrau nicht berufstätig ist und demzufolge keine AHV-Beiträge bezahlt. Beim Tod des Ehemannes werden Waisen- und Witwenrenten ausbezahlt. Stirbt ein lediger, kinderloser Mann, werden keine Leistungen entrichtet.

Die AHV-Rente Alleinstehender ist entgegen der landläufigen Meinung sehr bescheiden. Bei den ledigen Frauen erhalten gerade einmal 12,4 Prozent die maximale Vollrente von 2340 Franken, bei den ledigen Männern sind es 13,7 Prozent (Stand 2014). Demgegenüber erhalten 43 Prozent der Witwen und 51 Prozent der Witwer diese maximale Vollrente. Dies liegt darin begründet, dass bei dieser Gruppe eine Berechnungsart zur Anwendung kommt, die schneller zur Maximalrente führt (Verwitwetenzuschlag). Nichtberufstätige Ehefrauen sind mit dem Einkommen ihres Ehemannes mit versichert und bezahlen keine Beiträge.

Einverdienerehepaare erhalten aber trotzdem eine AHV-Rente von 150 Prozent. Ehefrauen, die wegen der Betreuung der Kinder nicht berufstätig waren, erhalten dafür eine Erziehungsgutschrift, die sich in Form einer Rente auszahlt. Haben Männer im AHV-Alter noch minderjährige Kinder, erhalten sie zusätzlich zu ihrer Rente noch eine Kinderrente in der Höhe von 470 bis 940 Franken.

All diese Renten und Leistungen führen dazu, dass die Ehepaare jährlich rund 800 Millionen Franken mehr beziehen, als sie in die AHV einzahlen. Es ist völlig unverständlich, wieso die CVP von einer «Heiratsstrafe» spricht.

Der einzige Punkt, der zu diskutieren gibt, ist die plafonierte Ehepaarrente. Soll in Zukunft allen Doppelverdienerpaaren eine Rente in der Höhe von 200 Prozent anstatt 150 Prozent ausbezahlt werden, wäre die logische Folge die Abschaffung aller Privilegien.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, sagt das Sprichwort, das ist aber offensichtlich nicht immer der Fall: Die CVP stellt nur Vergleiche zwischen Verheirateten und Konkubinatspaaren an. Dabei sind von allen Paarhaushalten nur knapp 15 Prozent Konkubinatspaare. Aber 1,2 Millionen Einpersonenhaushalte werden zu einem höheren Tarif als Verheiratete besteuert. Kinderlose, unverheiratete Personen bezahlen ausserdem hohe Solidaritätsbeiträge in die Sozialversicherungen.

Zusätzlich wird ihre Hinterlassenschaft unverhältnismässig hoch besteuert (bis zu 50 Prozent des Erbes), während unter den Eheleuten steuerfrei vererbt werden kann. Die CVP will für die Verheirateten den Fünfer und das Weggli - und dies vor allem auf Kosten der Alleinstehenden.

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