Die Kinderlücke

Das Magazin Nr. 37 vom 17. September 2011

Antwort vom 18.9.2011 von Sylvia Locher, AUF:

Remo H. Largo, emerierter Professor für Kinderheilkunde, beklagt die während der letzten 40 Jahre nicht geborenen 1,1 Millionen Schweizer Kinder. Diese bräuchte es dringend, um die Schweizer Be­völkerung längerfristig stabil zu halten. Weiter schreibt er von einer verfehlten Familienpolitik, die die Schweizer Frauen davon abhalte, Kinder zu gebären.

Der ehemalige Kinderarzt vermischt in seinem Essay zwei Thesen, die nicht zwingend zusammen­hängen. Wurden tatsächlich zu wenig Schweizer Kinder geboren? Und ist es effektiv möglich, mit Familienpolitik, sprich mit höheren Investitionen in die Familien die Geburtenrate zu steigern?

Beide Fragen müssen mit einem Nein beantwortet werden. Zum einen würden mehr Kinder zwin­gend mehr ältere Leute und damit verbunden mehr Renten und höhere Gesundheitskosten nach sich ziehen.

Largo sagt es selbst, dass Deutschland trotz mehr Kindergeld nicht automatisch mehr Geburten generiert. Das spricht eventuell auch dafür, dass mehr Geld in der Familie nicht automatisch in das Kind investiert wird.

Im Weiteren führt der ehemalige Professor verschiedene Vergleiche ins Feld. So zum Beispiel Schweden mit einer langen Elternzeit und gesicherten Kinderbetreuungsplätzen. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass Schweden unter der Steuerlast zu erdrücken droht. Diese ist keineswegs zu ver­gleichen mit derjenigen der Schweiz.

Im Gegenteil. Hier geniessen die Familien steuerliche Privilegien. Allerdings kommen vor allem jene Familien in den Genuss von Abzügen, die es eigentlich nicht nötig hätten. Arme Familien merken nichts von dieser Vergünstigung, hier geht es wirklich nur um Kosmetik. In diesem Punkt hat Largo vollkommen recht. Das ist keine Familienpolitik. Es geht viel eher darum, unter dem Deckmantel Familie Steueroptimierungen für gut verdienende Haushalte zu erreichen. Für fremd betreute Kinder können bei den Steuern neuerdings Abzüge geltend gemacht werden. Im Vorfeld dieser neuen Regelung wehrte sich die SVP vehement dagegen mit dem Argument, Kinder seien Familiensache. Nun hat sie sich selbst die Familienpolitik auf die Flagge geschrieben und verlangt, dass Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, bei den Steuern ebenfalls abzugsberechtigt sind. So schnell ändert sich die Strategie der Familienpolitik. Dieser Begriff wird in mancherlei Hinsicht missbraucht. Ob Familie, Ehepaare und Konkubinatspaare – alle haben das Gefühl, dass ihnen etwas zusteht. Sobald ein Haus­halt aus mehr als einer Person besteht, wachsen die Begehrlichkeiten.

Inzwischen behaupten fast alle Parteien, dass sie Familienpolitik betreiben, jetzt im Wahlkampf ganz besonders. Die Gefahr ist gross, dass jetzt noch schnell ein paar Forderungen an den Staat aufge­tischt werden. So erhoffen sich die Parteien eine grössere Wählerschaft. Dabei darf eines nicht ver­gessen werden: Der Staat sind wir alle. Und ob wir alle damit einverstanden sind, im Giesskannen­prinzip mehr Gelder zu verteilen, darf bezweifelt werden.

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