Die wirtschaftliche Situation der Alleinlebenden in der Schweiz

Bulletin 2/23, Juni 2023

Bericht des Bundesamts für Sozialversicherungen BSV, 2023

Im September 2021 reichte der FDP-Ständerat Andrea Caroni eine Interpellation (IP 21.4111) zum Thema «Situation von Alleinstehenden in der Schweiz» ein. Er bat den Bundesrat um Angaben zu relevanten Aussagen über die Situation der Alleinstehenden in der Schweiz. Ein solcher Bericht wäre eine notwendige Grundlage, um namentlich Belastungs- und Leistungsrelationen (insbesondere im Bereich der Steuern und Sozialversicherungen) der verschiedenen Lebensformen in der Schweiz zu kennen und, wo gewünscht, politisch zu berücksichtigen. Die Situation der Alleinstehenden sei noch nie Gegenstand eines bundesrätlichen Berichts gewesen.

Der im März erschienene Bericht ist überschaubar. Schwer tat sich die Autorenschaft mit dem Begriff «alleinstehend». Dieser werde zwar im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet, sei jedoch in der Statistik nicht genau definiert, schreibt das BSV. Für alle Auswertungen sei zu beachten, dass die Haushaltsform keine zeitkonstante Kategorie sei. Personen zögen je nach Lebensverlauf zusammen oder trennten sich wieder. Bereits der Bundesrat hielt in seiner Antwort an SR Caroni fest: «Auch sind viele Personen nicht ein ganzes Leben lang alleinstehend». Diese Argumentation verwundert, zumal die Ehe statistisch gesehen ebenfalls einer gewissen «Fluktuation» unterworfen ist. Dennoch sind Ehe und Familie ein Dauerthema in der Politik.
Tatsächlich gestaltet sich die Definition von «alleinstehend» oder «Single» schwierig. Das stellen wir auch bei uns im Verein fest und unterteilen Alleinstehende/­Alleinlebende in drei Kategorien (siehe Box).

Der Bericht enthält dennoch ein paar spannende Resultate. Es sei das zentrale Merkmal der Alleinlebenden, dass sie nur ein Einkommen erzielen, welches sowohl für den Lebensunterhalt, für den Aufbau von Reserven bzw. Vermögen und für die Altersvorsorge reichen muss. Diese Feststellung ist für Alleinlebende keine Neuigkeit. Aber weiter schreibt das BSV: Im Vergleich verfügen Paar­haushalte über ein drei- bis fünfmal höheres Median-Nettovermögen. Alleinlebende können im Vergleich zu Paarhaushalten (Konsensual- oder Ehepaar) nicht von Skaleneffekten (z.B. bei der Miete oder anderen Ausgaben) profitieren. Und im Falle eines Ereignisses, das sich negativ auf die finanzielle Situation des Haushalts auswirkt, steht in der Regel kein zweites Einkommen als Ersatz zur Verfügung. Die Wahrscheinlichkeit, sich in einer Situation mit (sehr) geringen finanziellen Mitteln zu befinden, ist über alle Alterskategorien hinweg für Alleinlebende im Vergleich zur Gesamtbevölkerung höher. Für Alleinlebende ist es auch schwieriger, sich aus einer prekären finanziellen Situation zu befreien.

Weiter heisst es im Bericht, dass es Ende 2021 ca. 3.9 Mio. Privathaushalte gab, wobei 17 % der ständigen Wohnbevölkerung in einem Einpersonenhaushalt und knapp 30 % in einem Zweipersonenhaushalt lebten (d.h. ein Drittel aller Haushalte sind Einpersonenhaushalte). Nur wenige Alleinlebende sind zwischen 15 und 24 Jahre alt (3 %), während die Anteile der 25–44- und 45–64-Jährigen sowie 65+-Jährigen jeweils rund 1/3 betragen.

Aufgrund unterschiedlicher Familienkonstellationen (der Begriff Wohnsituation wäre wohl zutreffender) im Lebensverlauf, befindet sich gemäss BSV der überwiegende Anteil der ledigen Alleinlebenden (65 %) in der Altersgruppe der 20–64-Jährigen. Eine Heirat und allenfalls eine Scheidung führen dazu, dass bei den Alleinlebenden über 65 Jahre der Anteil der Ledigen nur noch 7 % beträgt. Rund ein Viertel der Alleinlebenden im Erwerbsalter hat zudem Kinder, die ausserhalb des Haushalts leben (26 %). Bei den über 65-Jährigen steigt – infolge Zunahme der Zahl geschiedener und verwitweter Alleinlebender – der Anteil der Kinder, die ausserhalb des Haushaltes leben, auf 71 %.

Das Medianäquivalenzeinkommen der gesamten Bevölkerung liegt laut Bericht bei 63 470 CHF. Demgegenüber sind Alleinlebende im Erwerbsalter mit 64 934 CHF leicht bessergestellt. Im Rentenalter sieht die Situation anders aus. Hier verfügen nur die Alleinlebenden über ein tieferes Medianäquivalenzeinkommen (51 173 CHF) als die Gesamtbevölkerung. Paare mit Kindern (68 868 CHF) und Paare ohne Kinder (64 253 CHF) sind bessergestellt. Wichtig in diesem Zusammenhang: Betrachte man nur die Erwerbstätigen, dann zeige sich, dass Alleinlebende im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt deutlich seltener Teilzeit arbeiten.

Fazit
Die Belastungsrelationen werden im Bericht zahlenmässig relativ gut dokumentiert. Man weiss am Schluss, dass
Einpersonenhaushalte über ein leicht höheres Median­äquivalenzeinkommen verfügen, ihr Lebensunterhalt jedoch wesentlich teurer ist als derjenige von Paarhaus­halten. Was eindeutig fehlt, sind die von SR Caroni geforderten Angaben zu Leistungsrelationen, insbesondere im Bereich der Steuern und Sozialversicherungen. Was Alleinlebende besonders interessiert: Wie rechtfertigen sich die höheren Steuern der Alleinstehenden gegenüber den verheirateten Personen angesichts der höheren Lebenshaltungskosten und deren viel geringerer Kosten für den Staat? Wieso müssen kinderlose Alleinstehende/Alleinlebende die Renten nicht (oder kaum) erwerbstätiger Witwen finanzieren? Und wieso soll der Nachlass von kinderlosen Alleinstehenden, die ihr Vermögen ohnehin schon mühsamer aufgebaut haben, weiterhin mit teils happigen Erbschaftssteuern belegt werden, wie das in den meisten Kantonen üblich ist? Das ist besonders ungerecht, weil so eine Lebensform faktisch als weniger schützenswert behandelt wird. Die Geldflüsse von Ein- zu Mehrpersonenhaushalten werden im Bericht gar nicht angesprochen. Es fehlt auch eine Einschätzung des Bundesamtes für Sozialversicherungen, wie die Erkenntnisse aus dem Bericht nun politisch berücksichtigt werden sollten. Der FDP-Ständerat Andrea Caroni plant dazu ein ergänzendes Postulat.

Definition alleinstehend/alleinlebend, Single
Pro Single Schweiz unterscheidet zur Beurteilung der finanziellen Belastungssituation der Alleinlebenden in Bezug auf Steuern und Gebühren, Sozialversicherungen und Erbschaftssteuern folgende Kategorien:
A. Ledige ohne Kinder, im Einpersonenhaushalt:  Keine finanziellen Ansprüche an Dritte möglich.
B. Geschiedene & Verwitwete, ohne Kinder, im Einpersonenhaushalt:  Können keine finanziellen Forderungen aus einer frühe­ren Ehe geltend machen (wie z.B. Alimente oder Hinterbliebenenrenten oder Anteile von Pensionskassengeldern eines früheren Ehemannes).
C. Geschiedene & Verwitwete, mit oder ohne Kinder, im Einpersonenhaushalt:  Beziehen entweder Unterhaltszahlungen oder Hinterbliebenenrenten oder haben dank einer ehemaligen Ehe bessere AHV- oder Pensionskassenrenten (zu erwarten).
Bei den Steuern werden praktisch alle drei Kategorien gleichbehandelt. Unverheiratete werden zu einem höheren Tarif besteuert als Ehepaare. Bezüglich Sozialversicherungen befinden sich die Kategorien A und B in der gleichen Situation. Diese Personen sind für ihren eigenen Lebensunterhalt zu 100 Prozent allein verantwortlich. Zwar unterstützen sie mit ihren Prämien die Sozialversicherungen der Ehepaare und Witwen, können jedoch nur Renten für sich selbst auslösen. Was allen drei Kategorien gemeinsam ist: Abgaben und Gebühren rund ums Wohnen werden oft pro Haushalt erhoben. Ein bemerkenswertes Beispiel sind die Radio- und Fernsehgebühren. Ein Einpersonenhaushalt wird genau gleich behandelt wie ein Mehrpersonenhaushalt, der pro-Kopf-Beitrag für die Alleinlebenden ist also bedeutend höher.
Auszug aus:
«Singles ohne Kinder – Tragende Säulen der Gesellschaft»

 

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