Familienergänzende Kinderbetreuung – Grosszügige Subventionen im Giesskannensystem

Bulletin 1/23, März 2023

Der Nationalrat will gegen den Willen des Bundesrates 710 Millionen Franken jährlich (Tendenz steigend) an Eltern verteilen, um ihre Kita-Kosten zu senken. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht gesichert. Müssen jetzt Kinderlose generell und Alleinstehende im Speziellen noch mehr quersubventionieren?

Es ist unbegreiflich, wie die Mehrheit des Nationalrats (107 zu 79 Stimmen bei 5 Enthaltungen) mit der Giesskanne 710 Millionen Franken jährlich (Tendenz steigend) verteilen will. Ziel der Vorlage sei es, die Erwerbstätigkeit zu fördern, indem Familien mehr Zuschüsse an die Betreuungskosten ihrer Kinder erhielten.

Studien belegen das Gegenteil
Das Forschungsinstitut Sotomo hielt im Februar 2023 in einer Studie zum Erwerbsverhalten, im Speziellen zur Teilzeitarbeit, fest, dass erstaunlicherweise die Mütter beim Thema Arbeitskräftemangel nicht im Fokus ­stünden, obwohl die aktuelle politische Debatte sich vor allem auf die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung ­fokussiere. Weiter heisst es in der Studie: «Die Erwerbsbetei­ligung von Müttern erwachsener Kinder ist kaum höher als jene von Müttern schulpflichtiger Kinder.»

Prof. Josef Zweimüller von der Uni Zürich sagte laut NZZ-Magazin vom 18.2.23: «Wir haben auf Gemeindeebene gemessen, wie stark die Child-Penalty (Mindereinnahmen der Mutter nach der Geburt ihrer Kinder) nach der Ausweitung der Kita-Subvention gesunken ist. Das Resultat hat uns überrascht: Der Effekt liegt fast bei null, die Mütter haben ihre Erwerbstätigkeit kaum ausgeweitet.» Zweimüller hat in Österreich evidenzbasierte Untersuchungen durchgeführt. Es handelt sich um messbare Resultate, nicht nur um Annahmen.

Avenir Suisse ist skeptisch
Marco Salvi, Senior Fellow und Forschungsleiter Chancen-Gesellschaft bei Avenir Suisse, schrieb im Newsletter vom 13.1.2023, die Mehrheit der zusätzlichen Subventionen würden in Mitnahmeeffekten an die Eltern verpuffen, die bereits heute einen Kitaplatz beanspruchen. Die wohl effektivste Alternative wäre seiner Meinung nach der Übergang zur Individualbesteuerung. Salvi ist in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie kein Unbekannter. Er macht sich zusammen mit den Frauenorganisationen für die Einführung der Individualbesteuerung stark.

Fachkräftemangel
Nebst Einführung der Individualbesteuerung und Unterstützung der Eltern existieren noch andere Ideen zur Eindämmung des Fachkräftemangels. In der Sotomo-Studie gaben 46 Prozent der Befragten an, dass vor allem Kinderlose mehr arbeiten sollen. Dem muss man entgegenhalten, dass bei den kinderlosen Alleinstehenden bereits jetzt der grösste Teil voll oder in einem hohen Teilzeitpensum beschäftigt ist. Irgendwoher muss das Geld für den Lebensunterhalt ja kommen.

Alleinstehende – die Lückenbüsser
Sollen kinderlose Alleinstehende mehr arbeiten, um noch mehr Steuern zu einem höheren Tarif als Verheiratete abzuliefern, damit noch mehr Sonderwünsche erfüllt werden können? Oder um am Ende des Lebens ein grösseres Vermögen zu vererben, das nochmals mit Sondersteuern, nämlich je nach Kanton fast konfiskatorischen Erbschaftssteuern belegt wird, die Verheiratete und die meisten Nachkommen nicht leisten müssen?
Auch in der beruflichen Vorsorge erfolgen Umverteilungen nicht nur von Jung zu Alt, sondern von Alleinstehenden zu Paaren und Familien. Mit einem höheren Verdienst würden bei den Sozialversicherungen mehr Prämien anfallen, die zur Quersubventionierung für jene dienen würden, die keine oder wenig Prämien entrichten. Schon jetzt zeigt sich im Alter ein Nachteil bei der Rente: Alleinstehende ohne Kinder können keine Erziehungsgutschriften geltend machen, was sich bei der Höhe der Rente bemerkbar macht. Im Jahr 2021 erhielten 14.2% der ledigen Männer eine Maximalrente von 2390 Franken, 0.9% weitere erhielten eine Rente über 2390 Franken (z.B. durch Rentenaufschub). Bei den ledigen Frauen erhielten 11.9% eine Maximalrente und 1.3% weitere mehr als eine Maximalrente. Die durchschnittliche monatliche Altersrente beträgt für den ledigen Mann 1882 Franken, für den verheirateten jedoch 2012 Franken (solange das Ehepaar erst eine Rente bezieht). Das ist ein Unterschied von gut 10 Prozent. Es ist kaum anzunehmen, dass verheiratete Männer so viel mehr arbeiten als ledige.

Stimmen aus der Politik
Gemäss Onlineportal «20 Minuten» haben sich eine Befürworterin und ein Gegner der Vorlage aus dem National­rat wie folgt geäussert: Christian Wasserfallen, FDP/BE, sagte: «Das Problem ist, dass die Kita-Finanzierung nicht an ein höheres Erwerbspensum geknüpft ist. Es bleibt die freie Entscheidung der Eltern, die in den Genuss von Vergünstigung kommen, wie sie das Geld einsetzen». Min Li Marti, SP/ZH, äusserte sich dahingehend, dass es ja keine grossen Summen seien, die den erwerbstätigen Eltern in die Familienkasse gespült werden. Da fragt man sich erst recht, wieso die Steuerpflichtigen diese immense Summe aufbringen sollen, wenn es den Einzelnen gar nicht viel bringt.
Ist das letzte Wort in dieser Sache nun gesprochen? Man weiss es nicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

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