Juristische Abklärungen zur Haushaltabgabe

Bulletin 4/20, Dezember 2020

Das von der GV 2019 gewünschte Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungsmässigkeit der Haushaltabgabe im Zusammenhang mit der Einführung der neugestalteten geräteunabhängigen RTV-Abgabe konnte nach überaus aufwendiger Suche nach entsprechend spezialisierten Rechtsgelehrten an RA Prof. Dr. Urs Saxer, Kanzlei Steinbrüchel Hüssy, Zürich und Dozent an der Uni Zürich vergeben werden. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. Kommunikationsgrundrechte und -medien sowie rundfunkrechtliche Fragen. Er zog für die erforderliche Recherchearbeit RAin Florence Mathier bei, die das Papier mitunterzeichnet.

Das Ergebnis ist eine juristische Abklärung unserer Frage, die der Vorstand folgendermassen formuliert hat:

  1. Ist es mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtsgleichheit (individuelle Lebensform gemäss Art. 8 BV) vereinbar, die obligatorische RTV-Abgabe nicht pro abgabepflichtige Person, sondern pro Haushalt zu erheben, ungeachtet der Anzahl abgabepflichtiger Personen im Haushalt? Die heutige Praxis hat zur Folge, dass die Belastung für die Nutzerinnen und Nutzer je nach Lebensform unterschiedlich ausfällt.
  2. Wie ist der Begriff «Haushalt» juristisch/im RTVG definiert? Der RTV-Empfang ist ortsunabhängig möglich. Warum bleibt der Haushalt als Empfangsraum dann gemäss Art.69a Abs.2 RTVG die Referenz für den Einzug einer pauschalen Abgabe?  

Saxer und Mathier setzen bei ihrer Abklärung beim in der Volksabstimmung genehmigten und jetzt also gültigen RTVG an, das auf dem vom Bundesrat eingeholten Rechtsgutachten Müller/Locher beruht. Aufgrund jenes Rechtsgutachtens sah sich der Bundesrat befugt, im ­neuen RTVG an der Haushaltabgabe festzuhalten, dies obwohl die RTV-Abgabe mittlerweile nicht mehr an ein gemeinsam genutztes Empfangsgerät im Haushalt gebunden ist.

Wie Saxer und Mathier in ihrer detaillierten Abklärung feststellen, benachteiligt die Haushaltabgabe Einpersonenhaushalte nachweislich, wie beispielsweise die Statistik der Haushaltbudgets (Bundesamt für Statistik 2015–2017) belegt: Die Steuerpflichtigen der Einpersonenhaushalte haben deutlich weniger Geld zur Verfügung als die Pflichtigen der Paarhaushalte ohne Kinder. Diese Benachteiligung wird allerdings (und das ist das Problem!) in der Gesetzgebung toleriert und insgesamt vom Bundesgericht anerkannt. Es handelt sich dabei, wie Saxer und Mathier ausführlich darlegen, um einen bei der Erhebung von Steuern grundsätzlich zulässigen Schematismus. Zwar darf es bei Steuern oder anderen Abgaben keine systematische Benachteiligung einzelner Gruppen geben, aber es wird dem Gesetzgeber beim Erfassen der Pflichtigen ein schematisches Vorgehen zugestanden. Begründet wird dies damit, dass der administrative Aufwand beim Einzug der Abgabe verhältnismässig sein müsse.

Und hier bei diesem Ermessenspielraum kann nach Saxer und Mathier die Kritik nun jedenfalls ansetzen:

Verletzt ist das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 BV) und der Grundsatz des Willkürverbots (Art. 9 BV) gemäss Bundesgericht nämlich «wenn ein Erlass (…) rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist». Die Frage, ob ein Grund «vernünftig» ist, «kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden je nach herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen» (BGE 138 I 321, 324, zit. Saxer/Mathier S. 8/9).

Nun gibt es hinsichtlich der RTV-Abgabe ja tatsächlich relevante Unterschiede zwischen Ein- und Mehr­personenhaushalten, einerseits in der wirtschaftlichen Haushalt-Belastbarkeit, anderseits bei der Beanspruchung der mit der Abgabe finanzierten Leistungen. ­Saxer/Mathier kommen deshalb zum Schluss: «Es ist mehr als unbefriedigend, dass letztlich allein Argumente des Verwaltungsaufwandes dazu führen, dass die Anzahl Personen im Haushalt nicht berücksichtigt werden» – zumal, wie die Verfasser betonen, die statistischen Grundlagen zur Erfassung der Personenzahl durchaus vorhanden wären (Registerharmonisierungsgesetz). «Es ist damit durchaus fraglich, ob die angebliche Unverhältnismässigkeit des Verwaltungsaufwandes einen triftigen Grund darstellt, um Ein- und Mehrpersonenhaushalte im Zusammenhang mit der Rundfunkabgabe identisch zu behandeln. (…) Eine Erhebung auf der Basis der Personenzahl in Haushalten stünde mit der Rechtsgleichheit weitaus besser in Übereinstimmung als die derzeitige Praxis.»

Zusammenfassung: Ursula Kägi

 

Fazit

Pro Single Schweiz als Interessengemeinschaft der Allein­stehenden in der Schweiz hatte sich schon vor Einführung des neuen Radio- und TV-Gesetzes gegen die Ausgestaltung der pauschalen Radio- und Fernsehgebühren ausgesprochen. Diese ist für alleinlebende Personen diskriminierend, weil sie die gleichen Abgaben zu entrichten haben wie Paar- oder Mehrpersonenhaushalte, die mehrfach von den gleichen Leistungen profitieren können. Wir bleiben bei der Forderung, dass die derzeitige Ausgestaltung der Radio- und TV-Gebühren anzupassen ist. Es ist nicht akzeptabel, dass 16 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung, die in einem Einpersonenhaushalt leben (BFS Ende 2019), mindestens einen Drittel ­aller RTV-Gebühren berappen müssen. Dies ist umso fragwürdiger, als die Statistik (Bundesamt für Statistik 2015–2017) belegt, dass eine beträchtliche Zahl von Einpersonenhaushalten finanziell deutlich schlechter gestellt sind als Paarhaushalte.

Wir sind inzwischen mit dem Resultat der Juristischen Abklärung von Prof. Saxer an Vertreter und Vertreterinnen von Medien und Politik gelangt. Bis Redaktionsschluss sind keine Rückmeldungen eingetroffen, die auf ein Interesse an dieser Angelegenheit schliessen lassen. Einige Kontakte sind noch pendent, wir können deshalb noch keinen abschliessenden Bericht abgeben.

Sollte unser Anliegen kein Gehör finden, werden wir in Anbetracht der neuesten Bestrebungen der SRG auch über die Abschaffung der RTV-Gebühren diskutieren müssen. Die SRG entfernt sich immer mehr von eigentlichen Radio- und Fernsehproduktionen, denn sie will ins Online-Geschäft expandieren. Diese Strategie geht nicht mehr als «Service public» durch, mit dem die Gebühr bisher begründet wurde. Die vorgesehene Nutzung ist zudem in keiner Weise an einen Haushalt geknüpft und es ist deshalb fragwürdig, überhaupt noch eine Haushaltsabgabe zu erheben. Mit modernen medialen Mitteln ist es allen Mitgliedern eines Haushaltes möglich, gleichzeitig, unabhängig voneinander und auch ausser Haus viele verschiedene TV- und Radioangebote zu nutzen. Würde unter solchen Prämissen noch einmal über «No-Billag» bzw. «No-Serafe» abgestimmt, wäre die Annahme wahrscheinlich vorprogrammiert.

Vorstand Pro Single Schweiz

 

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