Die Forderungen der Singles

Azione, 24.04.2017 von Roberto Porta / Übersetzung: Susanne Kistler

Pro Single Schweiz Die Nationale Interessengemeinschaft der Alleinstehenden beanstandet einige politische und steuerliche Diskriminierungen. Ein Interview mit der Präsidentin Sylvia Locher.

«Oft werden Personen, die allein leben, als eine privilegierte Kategorie betrachtet – fährt Frau Locher fort – da wir in der Regel keine Kinder haben und auch nicht mit familiären Verpflichtungen und Sorgen konfrontiert werden». Wenn man aber etwas genauer hinschaut, ist dies ein Stereotyp, der oft der Sachverhaltsprüfung nicht standhält. Der Begriff «Single» fasst verschiedene Personenkategorien in sich zusammen. Da gibt es denjenigen, welchen wir «reinen Single» nennen könnten, weil er oder sie im Erwachsenenalter immer allein gelebt hat, sei es aus eigenem Willen oder einfach  weil sein Leben so verlaufen ist. Dann gibt es den «Retour-Single», der in einer Partnerschaft gelebt hat, vielleicht sogar mit Kindern, der aber nach einigen Jahren aus eigenem Willen oder durch den Willen des Partners wieder allein ist. Und dann gibt es den «Single, aber nicht zu sehr». Er lebt zwar allein, hat aber dennoch eine sentimentale Beziehung zu einem Partner, der jedoch unter einem anderen Dach lebt: Verschiedene Kategorien von Personen, die das Konzept der «Individualisierung der Gesellschaft» hautnah miterleben, die aber dessen ungeachtet diversen sozialen Verpflichtungen nachkommen, sei es gegenüber Eltern, Geschwistern oder einfach Freunden oder Nachbarn. «Auch wir – behauptet Sylvia Locher – tragen zum Wohl und zur Entwicklung der Gesellschaft bei, durch unsere Arbeit, zum Beispiel, oder unseren Einsatz in verschiedenartigen Vereinen.»

Aus diesem Grund glaubt Pro Single Schweiz, sei der Moment gekommen, verschiedene Forderungen der Kategorie auf politischer Ebene zu verwirklichen, um dem Single das zu geben was dem Single gehört. «Es gibt verschiedene Dinge zu regeln, in erster Linie im Bereich der Sozialversicherungen  und des  Steuerwesens – stellt die Präsidentin der Pro Single Schweiz fest – Besonders stark stört uns alles was sich um die Erbschaftssteuer dreht. In Genf muss ein Single ohne Kinder und ohne nahe Verwandte, der sein Vermögen an einen Freund übertragen will, mehr als 50% Steuern auf dem Wert seiner Erbschaft bezahlen. Wird jedoch die Erbschaft von den Eltern an die Kinder weitergegeben, geschieht dies ohne einen Rappen zu bezahlen. Dasselbe gilt auch wenn das Vermögen von einem Ehepartner an den andern vererbt wird. Ebenfalls in diesem Bereich möchte uns Sylvia Locher ein anderes Beispiel geben. «Nehmen wir nun den Kanton Zürich, wo die Kantonskassen im Jahr 2015 dank der Erbschaftssteuer 250 Millionen Franken einnehmen konnten. Nachdem die Familien keine derartigen Steuern bezahlen, bedeutet dies, dass dieses Geld grossenteils ausgerechnet von den Singles berappt wurde. Trotzdem, und obwohl die Singles mehr als alle anderen bezahlen müssen, bleibt ihr Image in der öffentlichen Meinung weiterhin das gleiche. Wir werden als Privilegierte angesehen, als Personen die der Gesellschaft in der sie leben nichts bringen. Gemäss den Berechnungen ist jedoch das Gegenteil wahr». Was die Staatskasse anbelangt sei gesagt, dass die Besteuerung der Singles von Kanton zu Kanton stark variiert. Es gibt Kantone, die tatsächlich Alleinstehende benachteiligen während andere dagegen die Familien am meisten zur Kasse beten. Im Tessin zum Beispiel, aber auch in Genf und Graubünden zahlen Singles mit einem Bruttoeinkommen von 100tausend Franken im Vergleich zu den Paaren das Dreifache.

Vom Steuerwesen gehen wir nun weiter zu den Renten, ein anderer Bereich in dem Pro Single Schweiz an Verbesserungsspielräume für ihre Kategorie glaubt. Wenn man jedoch nur die AHV betrachtet, darf man nicht vergessen, dass ein Rentnerpaar nicht zwei Renten sondern nur eine plus eine halbe, also 150% erhält. In diesem Fall sind es deswegen nicht die Alleinstehenden, die sich beklagen müssen sondern die Paare. «Ja, es stimmt – gesteht  Frau Locher ein – gegenwärtig gibt es Nachteile für Paare bei denen beide Partner bis zur Pensionierung gearbeitet haben. In allen anderen Fällen besteht jedoch für Paare ein eindeutiger Vorteil. Auch wenn die Ehefrau nie beruflich tätig war, erhält sie trotzdem eine Rente, jene Hälfte die ihr zusteht, obwohl sie nie gearbeitet hat. Und wenn sie Kinder hat wird ihr zudem eine finanzielle Anerkennung für die erzieherischen Anstrengungen bezahlt. Das Problem zeigt sich demnach bei den Ehepaaren, bei denen beide Partner gearbeitet haben. In allen anderen Fällen sind es wiederum die Singles, die benachteiligt werden.»

Für Pro Single Schweiz bringt auch die neue Rentenreform nicht die erhofften Lösungen. Über dieses Thema stimmen wir am kommenden 24. September ab, nachdem das Parlament im vergangenen Monat März dieses Projekt, das die erste und die zweite Säule betrifft, genehmigt hat. «Mit dieser Reform – ruft Frau Locher in Erinnerung – werden Ehepaare monatlich bis zu 225 Franken mehr erhalten, eine alleinstehende Person jedoch nur 70 Franken. Dies ist wirklich eine grosse Ungerechtigkeit. Tatsächlich erhalten die Singles nur einen Drittel dieser Erhöhung der AHV-Renten, über die im Parlament so viel diskutiert wurde.»

Es fehlt also nicht an konkreten, mit dem Alleinsein verknüpften Problemen, die direkte Auswirkungen auf die Portemonnaies dieser Kategorie von Personen haben. Aber es gibt noch weitere Ungerechtigkeiten ausserhalb der Steuern und der Sozialversicherungen. Für einen Single sind Ferien verhältnismässig teurer, denn in verschiedenen europäischen Ländern offerieren die Hotels keine Vergünstigungen für Alleinstehende. Dasselbe gilt für den Kauf eines Generalabonnements bei den SBB. Es gibt auch keine Spezialtarife für das Handy-Abonnement oder für die Zusatzversicherung bei den Krankenkassen. Alles Bereiche in denen die Familien in den Genuss von speziellen Ermässigungen kommen.

Ich möchte klarstellen – sagt Frau Locher zum Abschluss – wir sind nicht gegen die Familien. Wir wollen nur, dass unser Status als Single in höherem Mass geschätzt wird, um diesen Diskriminierungen ein Ende zu setzen.». Und wer weiss, ob nicht in Zukunft die eine oder andere der politischen Parteien der Schweiz in ihrem Programm ein Kapitel den Singles widmet.

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