Single: Bestrafung eines Lebensstils

Obersee Nachrichten, 18. Mai 2017, von Michel Wassner

Wie man es auch betrachtet, Singles aus Überzeugung haben es in der Gesellschaft oft nicht leicht. Eine Vielzahl an Benachteiligungen inklusive.

«Du bist selbstsüchtig und willst nur keine Verantwortung übernehmen.» Einer der klassischen Vorwürfe, die sich Singles häufig anhören müssen. Schon ist man wieder im Rechtfertigungszwang. Und das, obwohl Allein­lebende mit 1,3 Millionen Haushalten mittlerweile den grössten Anteil in der Schweiz ausmachen. Tatsache ist, dass hierzulande noch nie so viele Menschen alleine gewohnt haben wie heute.

Das leidige Warum

«Du hast nur keinen abbekommen», hört man gerne als «Begründung» für den Status des Singles. Sylvia Locher, Präsidentin des Vereins Pro Single Schweiz, erklärt, weshalb Allein­stehende dauernd nach dem «Warum» gefragt werden. «Zum einen ist es Gewohnheit, zum anderen will man unbedingt an alten Rollenmustern fest­halten.» Das vermittle vielen Leuten ein Gefühl von Sicherheit.

Egoistisch und komisch

Mit einer Unzahl an Klischees meint die gesellschaftliche Mehrheit, die nach wie vor das Modell der Kleinfa­milie über alles stellt, Singles diskredi­tieren zu müssen. Alleinstehende seien Karrieristen, Egoisten, täten nichts fürs Allgemeinwohl, strebten nur nach einem sorgenfreien Leben und über­haupt stimme etwas nicht mit ihnen.

Abgesehen von den enthaltenen Be­leidigungen sind einige der Vorwürfe schlicht unwahr. Vor allem ist es falsch, dass ein Alleinlebender nichts für die Gesellschaft tut, nur weil das Single-Dasein auch häufig mit Kinderlosig­keit einhergeht. Locher sagt: «Für eine gut funktionierende Gesellschaft braucht es nicht nur Kinder, sondern auch finanzielle Mittel.» Diese würden zum grossen Teil von Kinderlosen er­wirtschaftet.

Keine Lobby

Während sich die traditionellen Lager gerne das Label «Familienpartei» auf die Fahnen heften, gibt es keine Single­partei. Aber Veränderungen könnten in der Luft liegen: «Es gibt inzwischen Parteien, die sich ansatzweise für Sin­gles interessieren.» Schlussendlich überwiege aber immer noch die Fami­lienpolitik, stellt Locher fest. Am ehes­ten hätten FDP-­Politiker noch offene Ohren für Alleinstehende.

Vielleicht wäre es langsam an der Zeit, das Single-­Dasein als gleich­wertige Lebensform zu akzeptieren. Das bedingungslose Festhalten an al­ten Rollenmustern hat der Gesellschaft bekanntlich noch selten gut getan.

Benachteiligungen für Singles:

  • Alleinlebende haben einen höheren Steuerfuss als Ehepaare oder Familien.
  • Singles zahlen oft mehr Miete, da kleinere Wohnungen teurer sind.
  • In Hotels sind Einzelzimmer inder Regel teurer als der halbe Preis des Doppelzimmers.
  • Rabatte und Aktionen beim Einkaufen gibt es meist nur auf Familienpackungen.
  • Bei der Haftpflichtversicherung zahlen Singles meist prozentual deutlich mehr als Familien.

 

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