Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung

Marie-Therese Borer, Mai 2019

Nur dank Referendum können wir am 19. Mai über das «Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF)» – aus gutem Grund auch «Kuhhandel» genannt – abstimmen. Am liebsten hätte das Parlament diesen unbekömmlichen Mix am Volk vorbeigeschleust, schliesslich haben die Stimmbürger/innen die Vorgängervarianten beider Teile dieser Vorlage schon einmal refüsiert. Geniale Idee, die zwei unbequemen Geschäfte nun zusammenzubinden und darauf zu hoffen, dass sich die Gegner der einzelnen Teile wundersamerweise in eine Mehrheit für das «Zwangspäckli» verwandeln.

Doch wie soll sich das Volk zu einer Vorlage äussern, die zwei Geschäfte verknüpft, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben? Eine unverfälschte Stimmabgabe wird dadurch gezielt verhindert. Mit Ja oder Nein spricht man sich nicht zum Inhalt der Geschäfte aus, sondern für oder gegen das System Kuhhandel. Ich will kein Präjudiz setzen helfen, das uns im Erfolgsfall weitere solche Hinterzimmer-Deals im unbekömmlichen Multipack bescheren dürfte. Dringlichkeit und Alternativlosigkeit sind keine sachbezogenen Argumente. Ein mutiges Nein wird die Schweiz nicht in den Abgrund stürzen.

Zur Reform der Unternehmensbesteuerung sei daran erinnert, dass die Abschaffung bisheriger Steuervorteile für international tätige Konzerne auf Druck des Auslands erfolgt und eine Gleichbehandlung ausländischer und schweizerischer Firmen herstellen würde, was im Grundsatz zu begrüssen ist. In der heutigen Ausgestaltung dürfte der Unternehmenssteuerteil mehrheitsfähig sein, und weil tatsächlich eine gewisse Dringlichkeit besteht, um Rechtssicherheit für die Unternehmen herzustellen, sähen wir nach einer Ablehnung vermutlich rasch eine separate Vorlage.

Für die AHV beinhaltet der Kuhhandel lediglich eine Geldspritze, die im löchrigen Topf versickert. Grob ausgedrückt, besteht der «soziale Ausgleich» darin, dass die natürlichen Personen die «Kompensation» der bei den Unternehmenssteuern zu erwartenden Einbussen via Mehrwertsteuer und Lohnabzüge selber finanzieren dürften. Von den vorgesehenen 800 Mio. Franken Zuschuss vom Bund wiederum stammen 530 Mio. aus dem seit 1999 erhobenen Demographie-Prozent der Mehrwertsteuer, das exakt als Zusatzfinanzierung für die AHV gedacht war, von dem jedoch bisher 17% in die allgemeine Bundeskasse flossen. Dieser Betrag müsste ohne grosse Formalitäten in die AHV-Kasse überführt werden können.

Eine nachhaltige Stabilisierung der AHV bedingt auch strukturelle Anpassungen an heutige Gegebenheiten. Es ist Bundesrat Berset hoch anzurechnen, dass er – direkt gefragt – unumwunden zugab, dass die kommende AHV-Reformvorlage auch bei Annahme der STAF eine Angleichung des Frauenrentenalters an dasjenige der Männer vorsehen werde. Prompt reagierten die Gegner mit einer Referendumsdrohung und zeigten damit, dass sie sich prinzipiell gegen jede Reform sperren und nur Zeit zu gewinnen versuchen. Dass das System AHV aber nach 70 Jahren neu einjustiert werden muss, weil sich das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsbezügern stark verändert hat, neue Anspruchsgruppen dazukamen, die Bezüger länger leben und der Kapitalmarkt als stiller Beitragszahler keine substanziellen Erträge mehr liefert, versteht man auch ohne Studium in höherer Mathematik.

In der Vernehmlassung zur Stabilisierung der AHV (AHV21) hatte sich Pro Single Schweiz einmal mehr für die Aufhebung der Witwenrente für Frauen ohne Betreuungspflichten und für die Abschaffung zusätzlicher Kinderrenten für AHV-Rentenberechtigte ausgesprochen. Käme der AHV-Teil nun im Kuhhandel-Paket durch, würde dies den Status Quo der heutigen Rentenberechtigungen bis auf sehr viel weiteres zementieren.

Aufgabe der Politik ist es nicht, das Volk durch Kuhhändel zu nötigen, sondern ihm die Geschäfte mit sachbezogenen Argumenten zu unterbreiten, und zwar einzeln. Das bei der STAF angewandte Vorgehen werte ich als Politikversagen pur. Den faulen Deal als «gutschweizerischen Kompromiss» zu bezeichnen, pervertiert den Begriff. Ein Kompromiss ist, wenn man sich in einem Geschäft irgendwo in der Mitte findet, nicht eine willkürliche Kreuzung von zwei grundverschiedenen Sachthemen. Statt immer auf die nächsten Wahlen zu schielen, mögen die Politmenschen bitte dem Volk erklären, warum manchmal auch unangenehme Massnahmen nötig sind. Würde diese Aufgabe mit demselben Engagement geleistet wie man nun Alternativlosigkeit und Dringlichkeit geltend machen will, wäre das zu schaffen. Was der Bundesrat als «ausgewogene Lösung für zwei drängende Probleme» anpreist, ist ein demokratiepolitisch unwürdiger Nötigungsversuch der Stimmbürger/innen. Egal wie man zu den einzelnen Bestandteilen dieser Abstimmungsvorlage steht, kann die Antwort darauf nur ein deutliches NEIN sein: Zurück an den Absender!

zurück