Stellungnahme zur Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung

9. September 2022

(21.403 n Pa. Iv. WBK-NR)

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) schlägt ein neues Gesetz für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit oder Ausbildung und die Verbesserung der Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter vor.

Wir lehnen eine Überführung der Anstossfinanzierung in ein neues Bundesgesetz über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern ab.

Begründung:

Kompetenzverteilung in der familienergänzenden Familienbetreuung

Wie im Erläuterungsbericht festgehalten wird, basiert die schweizerische Familienpolitik auf den Grundsätzen des Föderalismus und der Subsidiarität. Im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung liegt die Zuständigkeit in erster Linie bei den Kantonen und Gemeinden.

Anschubfinanzierung

Eine Anschubfinanzierung hat zum Ziel, ein Projekt für eine gewisse Zeit zu unterstützen, damit es danach selbständig funktionieren kann. Die aktuelle Anschubfinanzierung wurde unter der Prämisse beschlossen, dass es sich um ein zeitlich befristetes Impulsprogramm handelt. Bis zum 1. Februar 2022 wurde die Schaffung von 68 490 Plätzen unterstützt, davon 40 185 in Kindertagesstätten und 28 305 in schulergänzenden Einrichtungen. Bislang ist der Bund hierfür Verpflichtungen von insgesamt 430 Millionen Franken eingegangen.11 Weitere Gesuche im Umfang von rund 30 Millionen Franken wurden eingereicht und werden zurzeit geprüft. Finanzhilfen für die Schaffung von Betreuungsplätzen können längstens bis zum 31. Januar 2023 gewährt werden. Unseres Erachtens sollte der Bund nach dieser nicht unerheblichen Beteiligung an der Anschubfinanzierung die Umsetzung nun den Kantonen und Gemeinden überlassen.

Massnahmenkatalog

Für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind gemäss Erläuterungsbericht unterschiedliche Massnahmen erforderlich. Dazu zählen Urlaube nach der Geburt oder Aufnahme eines Kindes (Mutterschaftsurlaub, Vaterschaftsurlaub, Elternurlaub, Adoptionsurlaub), die Schaffung von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen (z. B. flexible Arbeitszeiten), Massnahmen zur Unterstützung von Erwerbstätigen, die Angehörige betreuen und pflegen, steuerrechtliche Mass¬nahmen sowie Massnahmen zur Realisierung der Lohngleichheit für Frau und Mann. Dieser Massnahmenkatalog ist unseres Erachtens viel zu umfangreich. Er beinhaltet Bereiche, die anderweitig mit verschiedenen Akteuren verhandelt werden müssen oder die bereits im Parlament verhandelt werden. So müssen die Arbeitsbedingungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden. Steuerrechtliche Massnahmen werden bereits mit dem Geschäft der Individualbesteuerung behandelt. Die Lohngleichheit wird vom Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann eng begleitet und steht auf der Agenda sämtlicher Frauenorganisationen. Zu prüfen ist auch, ob sich gerade Grossfirmen mehr an Kinderbetreuungsplätzen beteiligen sollen.

Familienpolitik besser koordinieren

Gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen umfasst Familienpolitik alle Massnahmen und Einrichtungen, welche Familien unterstützen und fördern. Hier seien nur ein paar Beispiele erwähnt:

  • Steuerliche Bevorteilung:
    Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten bei er direkten Bundessteuer ab 1.1.2023: pro Kind und Jahr bis zu 25 000 Franken. Einzelne Kantone planen ebenfalls einen höheren Abzug.
    Ehepaare werden zu einem tieferen Tarif als Alleinstehende besteuert
  • Kinderzulagen, kantonal unterschiedlich, mindestens Fr. 200 bis 250 pro Monat pro Kind, auch bei Teilzeitarbeit der volle Betrag
  • familiengebundene Leistungen aus AHV, BVG und UVG
  • Krankenkassenprämienverbilligung
  • massive Vergünstigungen bei (halb)staatlichen Institutionen wie z.B. SBB
  • staatlich subventionierte Beratungsstellen für Familien (z.B. Erziehungsberatung)

Die Massnahmen sind vielfältig und werden aus verschiedenen Kassen finanziert. Es ist deshalb unumgänglich, die verschiedenen Ansprüche und Leistungen zu koordinieren, bevor eine neue Finanzierungsquelle installiert wird. Was es dringend braucht, ist eine detaillierte Aufstellung aller Leistungen, die auf Bundes-, Kantonal- und Gemeindeebenen ausrichtet werden.

Giesskannensystem

Viele Leistungen werden nach dem Giesskannensystem verteilt. Das bedeutet zwar, dass arm und reich gleich viel erhalten. Aber auf diese Weise werden auch übermässig viele Gelder an Familien verteilt, die es nicht nötig haben. Diese Art der Verteilung kann andererseits auch bewirken, dass gewisse Familien ihr Arbeitspensum im Beruf nach möglichen Subventionen richten, wenn diese von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängt.

Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit

Die «wirtschaftliche Leistungsfähigkeit» eines Haushaltes darf nicht allein am tatsächlichen Einkommen festgemacht werden. Sie muss immer auch in Bezug zur Leistungsmöglichkeit und zur Leistungsbereitschaft gesetzt werden. Ein freiwilliger Verzicht auf Einkommen, weil man mit dem Einkommen eines Partners durchkommt, darf nicht bevorteilt werden. Dies setzt falsche Anreize und würde das Ziel einer höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen unterlaufen.

Erwerbstätige Eltern vs. Einverdienerfamilien

Nicht alle Mütter wollen aus persönlichen und ideologischen Gründen unmittelbar nach der Geburt wieder in den Arbeitsprozess eintreten. Dies geht auch aus der Publikation des Bundesamtes für Statistik BFS «Erhebung zu Familien und Generationen 2018» hervor. So schreibt das BFS: «Obwohl eine grosse Mehrheit der Mütter arbeitet, ist ein beträchtlicher Anteil der Männer (36%), aber auch der Frauen (27%), gegenüber der Erwerbstätigkeit von Müttern skeptisch eingestellt». Förderbeiträge und Unterstützungen für erwerbstätige Eltern könnten eine Sogwirkung auf Familien mit nur einer erwerbstätigen Person haben. Es ist eine Frage der Zeit, bis Einverdienerfamilien für die Eigenbetreuung der Kinder ebenfalls eine Entschädigung geltend machen.

Eigenverantwortung fördern

Wir plädieren generell für mehr Eigenverantwortung. Der Staat kann und soll nicht allen privaten Bedürfnissen gerecht werden. Je mehr Strukturen und Finanzen er zur Verfügung stellt, desto grösser wird der Ruf nach noch umfangreicherer Unterstützung – und zwar im Giesskannensystem. Wir sprechen uns grundsätzlich gegen neue Massnahmen und insbesondere gegen Leistungen im Giess¬kannensystem aus, welche zu unerwünschten Mitnahmeeffekten durch Eltern führen, die darauf nicht angewiesen sind.

zurück

Kommentar

email address:
Homepage:
URL:
Comment:

Name:

E-Mail (Pflichtfeld, nicht öffentlich):

Kommentar :

Prüfziffer:
7 plus 2  =  Bitte Ergebnis eintragen