Teilrevision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zur Anpassung der Witwer- und Witwenrenten

Pro Single Schweiz, 4. März 2024

Stellungnahme von Pro Single Schweiz

Die Anpassung der Witwen- und Waisenrenten ist seit vielen Jahren Gegenstand der Vorstösse und Stellungnahmen von Pro Single Schweiz. Die heutige Praxis der Witwenrente stellt nicht nur eine Ungleichbehandlung der Witwer mit den Witwen dar, sondern ebenso eine Benachteiligung der kinderlosen Allein­stehenden gegenüber Verheirateten. Alleinstehende entrichten den gleichen Beitrag an die AHV-Kasse wie Verheiratete, können damit aber nur ihre eigene AHV-Altersrente generieren. Demgegenüber können Verheiratete mit dem gleichen Beitrag Hinterbliebenen- und Altersrenten für die nichterwerbstätige zweite Person auslösen. Die AHV versichert Paare resp. deren Hinterbliebene zum Nulltarif. Das heisst, sie profitieren unter Umständen jahrelang von einer Versicherung, für die sie keinen Aufpreis bezahlen müssen. Es ist uns ein grosses Anliegen, dass diese Ungleichbehandlung im Zuge der Teilrevision stark vermindert wird.

Die im Erläuterungsbericht des Bundesrats erwähnten Kriterien, die Leistungen an die gesellschaftlichen Entwicklungen, wie beispielsweise die aktive Erwerbsbeteiligung der Frauen, anzupassen, unterstützen wir vollumfänglich. Das bei Einführung der AHV 1948 vorherrschende Familienmodell war eine Versorgerehe, in welcher der Ehemann «Rentenversicherung» für seine nicht berufstätige Frau war. Die Stellung der Frau hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Angesichts der zunehmenden Zahl erwerbstätiger Frauen, des sich verschärfenden Fachkräftemangels und der veränderten Rollenverteilung in Familie und Erwerbsleben sind lebenslange Witwen- und Witwerrenten nicht mehr gerechtfertigt.

Zu den einzelnen Punkten nehmen wir wie folgt Stellung:

1. Bezugsberechtigte
Der Bundesrat schlägt vor, die Hinterlassenenrente auf alle Zivilstände auszuweiten. Er will damit den neuen Familienmodellen Rechnung tragen. Somit würden auch unverheiratete Paare im Todesfall des Partners/der Partnerin eine Witwen- resp. eine Witwerrente erhalten. Unter dem Aspekt der Gleichstellung aller Zivilstände kann diese Forderung nachvollzogen werden. Es stellt sich allerdings die Frage, wie künftig andere Ungleichheiten zwischen Paargemeinschaften zu handhaben sind. Zum Beispiel kann ein Ehepaar bei der Pensionierung höchstens eine plafonierte Ehepaarrente von 150 Prozent einer Einzelrente beziehen. Die plafonierte Rente wird mit der Wirtschaftsgemeinschaft begründet. Soll diese Praxis künftig auch für Konkubinatspaare gelten, da sie ebenfalls in einer Wirtschaftsgemeinschaft leben? Das wäre die logische Konsequenz einer Gleichstellung. Gleichstellungsmassnahmen sollten nicht einseitig zugunsten einer Referenzgruppe eingeführt werden.

2. Dauer der Hinterbliebenenleistungen
Die lebenslange Witwenrente ist nicht mehr zeitgemäss. Eine Rente soll nur noch an Witwer und Witwen ausgerichtet werden, die unterhaltsberechtigte Kinder zu betreuen haben, so der Bundesrat. Im Prinzip unterstützen wir diesen Vorschlag, sind aber der Meinung, dass die Renten für den hinterbliebenen Elternteil nur bis zum 18. Altersjahr des jüngsten Kindes ausgerichtet werden sollen und nicht generell bis zum 25. Altersjahr. Eine 18-jährige (mündige) Person benötigt keine Betreuung mehr.  Für Härtefälle können Ausnahmen beschlossen werden, ebenso für die Betreuung von erwachsenen Kindern mit Behinderung.

3. Übergangsrente bei Verwitwung zur Unterstützung von Hinterbliebenen ohne unterhaltsberechtigte Kinder
Der Bundesrat beantragt die Einführung einer neuen Übergangsleistung, mit der die Anpassungsphase abgefedert und die finanziellen Auswirkungen einer Verwitwung reduziert werden sollen. Gleichzeitig verweist er auf die Koordination mit der Arbeitslosenversicherung (ALV). Gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) sind insbesondere Personen, die wegen des Todes des Ehegatten gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern, vom Erfordernis einer eigenen Beitragszeit befreit und können sofort Leistungen beziehen. Wir begrüssen die Koordination mit der ALV. Auf diese Weise wird eine gezielte Überbrückungshilfe gewährleistet, sei es aus der AHV oder der ALV oder einer Kombination beider Kassen.

4. Besitzstandsgarantie
Wir befürworten die Besitzstandsgarantie für bereits laufende Witwen- und Witwerrenten. Ebenso begrüssen wir die Aufhebung der Rente für Personen, welche nach Einführung der Reform die neuen Anspruchsvoraussetzungen nach einer Frist von zwei Jahren nicht mehr erfüllen.

5. Besonderer Schutz für ältere armutsgefährdete Witwen und Witwer
Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass das Risiko der Armutsgefährdung jede Referenzgruppe treffen kann, auch ledige und kinderlose Personen. Sie sind auf Unterstützung entweder über die Sozialhilfe oder die Ergänzungsleistungen angewiesen. Beide Gefässe existieren weiterhin und sollen für alle gleichermassen angewendet werden. Härtefallbestimmungen in das neue Gesetz einzubauen, ist aber sinnvoll.

6. Kinderrente
Die Kosten für die Kinderrente betragen mehr als 200 Millionen Franken pro Jahr. Gemäss Erläuterungsbericht hat der Bundesrat die Möglichkeit, die Kinderrente anzupassen resp. abzuschaffen, verworfen, obwohl sich die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK) für die Abschaffung ausgesprochen hat. Wir können den Entscheid des Bundesrates nicht nachvollziehen. Ehepaare mit einem älteren Vater als Partner haben den Vorteil, dass der pensionierte AHV-Bezüger die Betreuung der Kinder übernehmen kann, so dass keine externen Kosten anfallen. Die Mutter ist in der Regel jünger, das heisst im erwerbsfähigen Alter und kann umfassend zum Familienbudget beitragen (Erwerbseinkommen plus Kinderzulagen). Deshalb ist die zusätzliche Kinderrente für AHV-Bezüger zu streichen.

7. Verwitwetenzuschlag
Ergänzend zu den vorgesehenen Änderungen stellen wir den Antrag, den bisherigen Zuschlag von 20 Prozent zur Altersrente für Verwitwete im Zuge der Teilrevision zu streichen. Bezügerinnen und Bezüger von Verwitwetenrenten sollen künftig gleichbehandelt werden wie ledige Alleinstehende.

Abschliessend verweisen wir darauf, dass auch gemäss Bundesrat dem Finanzierungsbedarf der AHV und dem Auftrag zur Sanierung der Bundesfinanzen Rechnung getragen werden muss. Es sollten unseres Erachtens keine weiteren Leistungsansprüche aufgenommen werden.

 

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