Abstimmungsbeschwerde zur «Heiratsstrafe»: Und was ist mit dem «Ehepaarbonus»?

NZZ 5.7.2018, Gastkommentar von Sylvia Locher

Über alle Personensteuern bei Bund, Kantonen und Gemeinden betrachtet, relativiert sich die sogenannte «Heiratsstrafe». Familien gehören im Steuerrecht keinesfalls per se zu den Benachteiligten.

Die Panne der Eidgenössischen Steuerverwaltung bei der Berechnung der Zahl benachteiligter Ehepaare ist ärgerlich. Jetzt wurden diese Zahlen korrigiert, aber leider nicht umfassend. Allein die Zahl der mutmasslich betroffenen Ehepaare sagt zu wenig aus, als dass daraus irgendwelche Schlüsse gezogen werden könnten. Wir wissen zwar jetzt, wie viel Prozent der Doppelverdiener-Ehepaare «deutlich benachteiligt» und wie viele «deutlich bevorteilt» sind, doch solche pauschalen Zahlen sind wenig aussagefähig. Wenn es um Finanzen geht, können solche Begriffe grosse Unsicherheiten auslösen. Phantasien werden geschürt, und es werden Behauptungen aufgestellt, die noch gar nicht belegt sind.

Was fehlt, sind materielle Aussagen zu den effektiven Differenzbeträgen. Auch wenige Franken sind «mehr», aber sie sind nicht wesentlich. Um die tatsächliche Situation einordnen zu können, braucht es mindestens zwei ergänzende Statistiken: eine Gegenüberstellung der Anzahl Betroffener nach Einkommenskategorien sowie die entsprechenden Differenzbeträge.

Im Übrigen muss hier wieder einmal erwähnt werden, dass die Hälfte aller Familien gar keine Bundessteuern bezahlt. Allein dieses Faktum bestätigt, dass Familien nicht per se zu den Benachteiligten gehören. Zum Vergleich: Alleinstehende sind bei den Bundessteuern bereits ab einem steuerbaren Einkommen von 17 800 Franken steuerpflichtig. Bei den Staats- und Gemeindesteuern wurden die Anpassungen zugunsten der Ehepaare so ausgestaltet, dass inzwischen sogar ein Ehepaarbonus festgestellt werden kann. Bis jetzt sind keine Beschwerden gegen diese neue Steuerordnung bekanntgeworden, weder vonseiten der Ehepaare noch vonseiten der politischen Parteien.

Im Übrigen muss hier wieder einmal erwähnt werden, dass die Hälfte aller Familien gar keine Bundessteuern bezahlt.

Im Weiteren ist die Zahl der Ehepaare, die bei den Bundessteuern deutlich bevorteilt werden, sogar höher als die Zahl aller Konkubinatspaare zusammen. Wie gedenkt die CVP mit den 324 000 bevorteilten Ehepaaren zu verfahren? Logischerweise müssten diese bei einer Korrektur entsprechend zurückgestuft werden. Die selbsternannte «Familienpartei» ist sehr schnell bei der Sache, wenn es darum geht, nachteilige Konstellationen für Ehepaare herauszuheben und Gerechtigkeit zu fordern. Dabei unterlässt sie es geflissentlich, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Privilegien der Ehe korrigiert werden könnten (Ehepaarbonus bei den Steuern, Witwenrenten bei den Sozialversicherungen oder steuerbefreite Erbschaften).

Über alle Personensteuern betrachtet (Bund, Kanton und Gemeinde), relativiert sich die sogenannte Heiratsstrafe; anhand der detaillierten Zahlen könnte sich zeigen, dass nur sehr hohe Einkommen davon betroffen sind.

Beim laufenden Disput zwischen Ehepaaren und Konkubinatspaaren wird eine grosse Personengruppe einmal mehr ausgeklammert, nämlich die der Alleinstehenden. Die öffentliche Diskussion kreist einzig und allein um die wirtschaftliche Situation von Ehen und Familien. Dabei existiert eine eigentliche «Single-Strafe». Singles schulden bei allen Personensteuern den höheren Tarif, und zwar vom Eintritt ins Berufsleben bis zur Bahre. Würden Alleinstehende zum gleichen, tieferen Tarif besteuert wie Ehepaare, würden sie schätzungsweise rund eine halbe Milliarde Franken weniger Steuern pro Jahr bezahlen. In der Schweiz existieren 1,3 Millionen Einpersonenhaushalte. Das ist ein Drittel aller Privathaushalte. Ihnen gemeinsam ist, dass sie die Haushaltskosten allein tragen, weil kein zweites Einkommen dazukommt. Trotzdem können sie bei den Bundessteuern keine Abzüge geltend machen. Im Gegenteil, sie schulden den höheren Steuertarif.

Es ist an der Zeit, in künftigen Diskussionen auf politischer Ebene die steuerliche Situation der Singles gleichrangig mit Verheirateten und Konkubinatspaaren zu betrachten.

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