Wer Single ist, muss Familien finanzieren

Diverse Tageszeitungen, 7.2.2020, von Lucien Fluri

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Politiker fördern sehr gerne Familien. Das geschieht zu stark auf Kosten der Alleinstehenden, sagt Pro-Single-Präsidentin Sylvia Locher.

Sie hat sich die härtesten Gegner ausgesucht, die man in der Schweizer Politik finden kann: Volksvertreter, die Familien fördern wollen. En masse findet man sie, von links bis rechts.

Doch Sylvia Locher, 64 Jahre alt, Single, lässt sich davon nicht abschrecken. Im Gegenteil. Sie redet sich gerade in Rage. Locher, Präsidentin von Pro Single Schweiz, sitzt in einem Café im Zürcher Hauptbahnhof und rechnet vor, welche Kosten der Staat Singles aufbürdet, um Familien zu unterstützen. «Woher nimmt der Staat das Recht, dass ich alleine aufgrund meines Zivilstandes mehr zahlen muss?», fragt sie.
«Je früher Singles sterben, desto rentabler sind sie»

Soeben hat Locher ein Buch veröffentlicht, in dem sie detailliert auflistet, was Alleinstehende in der Schweiz – direkt oder indirekt – zugunsten von Familien bezahlen. So berappen Singles genau gleich viel Fernsehgebühren wie die fünfköpfige Familie.

Steuerabzüge wiederum gibt es vor allem für Familien. Und: «Wenn ich sterbe, bekommt niemand eine Witwenrente. Im Gegenteil: Der Staat erhebt noch grosszügig Erbschaftssteuern auf das Vermögen von Singles.» Eltern dagegen können ihren Kindern Geld und Besitz praktisch steuerfrei vererben.
«Der Mann ist noch immer der Versicherer der Frau. Von ihm und seinem Verdienst hängt die finanzielle Situation der Ehefrau ab.»

Längst ist Lochers Liste nicht zu Ende, doch ihr Fazit ist klar: Singles rentieren für den Staat. «Je früher sie sterben, desto rentabler sind sie für die Sozialversicherungen.» Dabei sei für sie selbstverständlich, dass auch Alleinstehende die nächste Generation unterstützten, etwa bei der Bildung, versichert Locher.

«Ich will die Kinder unterstützen. Aber warum muss ich noch für die Eltern mitfinanzieren?» Sie fordert, dass jedes Individuum, egal ob Mann oder Frau, egal ob verheiratet oder nicht, vom Staat gleich behandelt wird. «Heute haben wir ungleich lange Spiesse.»
Sind Singles wirklich egoistischer?

Mit ihren Aussagen eckt Locher schnell an. Oft hört sie dann, dass Singles Egoisten seien. «Ich stehe für mein Leben hin», sagt sie. «Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil ich ein selbstgewähltes Leben habe?» Jeder Vierte in der Schweiz lebt ohne Partner.

32 Prozent der Einwohner sind ledig. Bei den 18- bis 65-Jährigen, die im Erwerbsalter den grössten Teil der Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, sind es gar 39 Prozent. Politisch fällt das trotzdem kaum ins Gewicht. Das verwundert die Präsidentin von Pro Single Schweiz nicht: 70 Prozent der Bundesparlamentarier sind selbst Väter oder Mütter.

Locher fährt kein Auto und ist seit 30 Jahren nicht mehr geflogen: «Meine Wurzeln sind links-grün.» Doch nun gelte «je länger, je liberaler». Gleichbehandlung heisst für sie, dass das AHV-Alter für Frauen auf dasjenige der Männer angehoben werden muss und dass Hinterlassenenrenten angepasst werden.

«Bevor und nachdem Frauen Kinder haben, könnten sie arbeiten. Aber oft machen sie es nicht, weil sie nicht müssen.» Es klingt radikal liberal. Bringt Locher ihre Forderungen ein, heisse es von links meist gleich «Sozialabbau», man wolle den Frauen etwas nehmen.
Der Sozialstaat baut auf veralteten Rollenbildern auf

Damit steht der Verband Pro Single Schweiz – einst gegründet, um für die Gleichstellung unverheirateter Frauen zu kämpfen – paradoxerweise in einem Clinch zu denjenigen Parteien, die am stärksten für die Gleichberechtigung kämpfen. Locher: «Besonders Frauenorganisationen haben sich über Jahrzehnte – auch im Hinblick auf die Gleichstellung von Mann und Frau – für die Verbesserung der Situation der Ehefrauen eingesetzt.

Indirekt fördern sie damit jedoch die Abhängigkeit der Ehefrauen von ihren Männern», sagt sie und verweist dabei gerne darauf, wie sehr sich etwa bei den Sozialversicherungen das klassische Familien- und Rollenmodell wie Blei in die Gesetzestexte gegossen hat.

«Der Mann ist noch immer der Versicherer der Frau. Von ihm und seinem Verdienst hängt die finanzielle Situation der Ehefrau ab. Dabei ist es nicht der Ehemann, der bezahlt, sondern wir Singles», sagt sie etwa zur Hinterlassenenrente. Für Locher ist klar: Das heutige Familienmodell hinkt, etwa bei der vor 70 Jahren konzipierten AHV, der gesellschaftlichen Entwicklung weit hinterher.

«Dies muss endlich geändert werden», fordert sie von der Politik. Doch, dass rasch etwas geschieht, glaubt Locher, auch mit Blick auf die Gesellschaft, nicht. Bewusst alleine zu leben, weicht von der Norm ab. «Von Herzen wünsche ich Dir bald deinen Partner», steht auf Geburtstagskarten für Singles oder es heisst: «Single, aber ganz nett.»

Von solchen Sätzen lässt sich Locher nicht beeindrucken: «Ich lebe nicht aus Not alleine. Es ist eine eigenständige Lebensform und ich lebe sie gerne.»

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Kommentare

09.02.2020

Peter

* Es ist längst klar, dass es zu viele Menschen auf dieser Erde gibt. Noch nie waren es so viele. Alle möchten alles und zwar sofort, ohne Rücksicht auf eine allfällig vorhandene Schöpfung. Es gibt kaum ein Problem, das nicht auf die Überbevölkerung zurückzuführen ist.
* Mindestens zehn Prozent der Menschen pflanzen sich nicht fort - aus welchen Gründen auch immer. Wenn sich seit Bestehen unserer Rasse alle zu hundert Prozent fortgepflanzt hätten, wäre schätzungsweise eine Milliarde mehr von diesen Schädlingen (aus Sicht der Natur!) unterwegs.
* Alle nicht gezeugten Kinder verursachen kein CO2, brauchen keinen ÖV, verstopfen keine Strassen, brauchen keine Schulen, Spitäler, Wohnraum; verursachen keinen Abfall, brauchen keine Therapeuten, werden nicht Drogenabhängig oder kriminell… usw., und haben keine Nachkommen!
* Aus dieser Sicht sollten wir Kinderlosen bei den Steuern schon längst einen «Nicht-Fortpflanzungs-Abzug» machen können.
* Nun kommt noch das Argument, dass die Jungen den Alten die AHV bezahlen. Dies stimmt nicht, weil die Kinderlosen die Kosten für z.B. zwei Kinder sparen können. Das sind ungefähr 300'000 Franken. Rechnet man dazu noch eine Rente, kommt man bis ins hohe Alter recht gut über die Runden, sofern man einigermassen bescheiden lebt.
* Ich habe gar nichts gegen Familien. Ich freue mich sehr, wenn ich sehe, dass das einigermassen gut geht. Allerdings ist es ein sehr verantwortungsvolles Unternehmen, das man sich gut überlegen sollte.

13.02.2020

Roman

Ich möchte Ihnen, Frau Locher, von ganzem Herzen für Ihr Engagement für Singles Danken. Ich selber bin überzeugter Single und leide sehr an der staatlichen Ausbeutung. Es tut gut zu sehen, dass es auch andere Menschen gibt die sich an dieser Ungerechtigkeit stören.

15.03.2020

Maria

Super was dieser Verein so alles in Bewegung bringt. Ich kann den anderen Kommentatoren nur zustimmen. Alleinstehende Maenner und Frauen werden in der Schweiz ja nicht nur vom Steueramt ausgenommen sondern oft auch noch von der eigenen Familie, ich z.B wurde auf den Pflichtteil gesetzt, weil ich keine Nachkommen produziert haette, obwohl bereits ganze 13 EnkelInnen existierten. So wurden die mit Kindern bevorteilt, diejenigen die ihr Leben lang von den Eltern lebten, nie stempeln gehen mussten und nie Bewerbungen absenden mussten und keine einzige Ausbildung bezahlen mussten. Und dann das ganze Geschwafel vom Staat i.S. Gleichberechtigung von Mann und Frau, Hetero-, Homo- oder Transsexuellen oder wie sehr Erbschaftsaemter in der Pflicht seien, Vorbezuege aller Kinder zu pruefen bla bla, es funktioniert bis heute nicht minimal. Es ist absolut skandaloes.

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