Von der Frauenorganisation zum Kompetenzzentrum
50 Jahre für die Alleinstehenden
1975–2025
Der Beginn einer 50-jährigen Geschichte
1975 gründeten 50 ledige Frauen die AUF Arbeitsgemeinschaft unverheirateter Frauen. Hauptmotivation war die Ungleichbehandlung von ledigen gegenüber verheirateten, geschiedenen und verwitweten Frauen bei Sozialversicherungen, im Gesundheitswesen, bei den Steuern und in der Gesellschaft allgemein. Die Initiative zur Gründung eines Vereins ging von der Pionierin Anny Hamburger aus, die 1975 zur ersten Präsidentin gewählt wurde und 1988 im Amt verstarb. Zum Gründungsvorstand gehörten Johanna Eggenschwyler, Annie Molinari, Verena Schönholzer und Theresia Zünd. Weitere Präsidentinnen waren Erika Egli (1989–1995) und Ruth von der Crone (1995–2004). Danach war das Präsidium vakant, der Vorstand funktionierte als Gremium mit Sylvia Locher als geschäftsführender Koordinatorin, bis sie 2013 auch formell zur Präsidentin gewählt wurde.
Von der AUF bis Pro Single Schweiz
Im Bestreben, die Vereinsstrukturen den gesellschaftlichen Entwicklungen anzupassen, erfolgten verschiedene Namens- und Statutenänderungen. Die Chronologie im Überblick:
1975 | Gründung des Vereins AUF Arbeitsgemeinschaft unverheirateter Frauen |
1994 |
Namensänderung und |
2002 | EXPO 2002 Katharina Neuhaus organisiert einen spannenden Auftritt an der Expo mit dem Thema «Karriereleiter» |
2006 |
Namens- und Statutenänderung
|
2014 |
Namens- und Statutenänderung
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2018 | Buchvernissage «Singles ohne Kinder – tragende Säulen der Gesellschaft» von Sylvia Locher unter dem Patronat von Pro Single Schweiz |
2024 | Steuerbefreiung Pro Single Schweiz wird als gemeinnütziger Verein anerkannt und von Bundes- sowie Staats- und Gemeindesteuern befreit |
2025 | 50-Jahre-Jubiläum |
Kernthemen und Meilensteine
Trotz finanzieller Engpässe und, vor allem politischen, Rückschlägen waren immer Mitglieder da, die an die Sache glaubten und den Verein weiterbrachten. Die Themen blieben jedoch über all die Jahre fast unverändert die Gleichen und wurden von den jeweiligen Vorstandsmitgliedern mit viel Einsatz bearbeitet, um die überall vorhandenen Single-Benachteiligungen zu bekämpfen. Dazu wurden politische Instrumente wie Resolutionen, Petitionen, Eingaben und auch Stellungnahmen bei Vernehmlassungen eingesetzt.
AHV
10. AHV-Revision (1979–1995): Die AUF bekämpfte die Erhöhung des Rentenalters für Frauen, die ihre Altersvorsorge allein durch ihre eigene Erwerbstätigkeit erarbeiteten, sowie die Ungleichheiten der Berechnungsgrundlagen zwischen den Zivilständen. Die Vorlage wurde an der Urne angenommen.
11. AHV-Revision (1998–2011): Auch hier kämpfte die AUF gegen die Besserstellung der verheirateten, verwitweten und geschiedenen Frauen. Die Vorlage wurde an der Urne abgelehnt.
AHV21 (2018–2022): Die Angleichung des Rentenalters für Frauen aller Zivilstände wurde 2022 an der Urne gutgeheissen. Weiterhin nicht angetastet wurden die Witwenrenten und die Verwitwetenzuschläge. 2024 teilte der Bundesrat mit, dass Witwen und Witwer gleichgestellt und die Witwenrenten für Frauen ohne Betreuungspflichten gestrichen werden sollen, was einer jahrelangen Forderung von Pro Single Schweiz entsprechen würde. Die parlamentarische Beratung steht noch aus (Stand Februar 2025).
BVG
Ab 1976 wurde über die Einführung der beruflichen Vorsorge diskutiert. Die AUF bekämpfte vor allem den hohen Koordinationsabzug, weil damit die tieferen Frauenlöhne nicht versichert würden. Seit 1985 ist das Gesetz in Kraft.
Obwohl heute fast alle Erwerbstätigen über ein persönliches Altersguthaben bei einer Pensionskasse verfügen, wird nur hinterbliebenen Partnern eine Rente ausbezahlt, während das Kapital von Alleinstehenden nach deren Tod fast vollumfänglich an die Pensionskasse fällt. Hier ist die Quersubventionierung anderer Lebensformen immer noch offensichtlich.
Spitalkostenzusatz
1996 wurde ein Spitalkostenzusatz von Fr. 10.– pro Tag eingeführt, der nur von Alleinstehenden zu entrichten war. Die AUF wehrte sich während Jahren vehement gegen diese ungerechten Kosten, 2001 auch mit einer Motion von a.NR Vreni Hubmann (SP/ZH). Die Klage eines AUF-Mitgliedes wegen Diskriminierung aufgrund des Zivilstandes wurde von allen Instanzen, auch vom Bundesgericht und dem Europäischen Gerichtshof, abgewiesen. Trotzdem fasste der Bundesrat 2010 den Entscheid, den Spitalkostenzusatz auf alle Erwachsenen auszudehnen und auf Fr. 15.– anzuheben. Diesen Erfolg konnte die AUF ihrer Beharrlichkeit zuschreiben.
Steuern
Schon seit der Gründung bekämpfte der Verein mit allen Mitteln die Schlechterstellung der Alleinstehenden bei den Steuern. Seien es die tieferen Abzüge bei der Wehrsteuer (heutige direkte Bundessteuer), die höheren Steuertarife für Alleinstehende, fehlende Haushaltabzüge für Einpersonenhaushalte, Ehepaarbesteuerung oder Abzüge für Kinderbetreuung. 1984 entschied das Bundesgericht, dass Verheiratete nicht höher besteuert werden dürfen als Konkubinatspaare, was Diskussionen um neue Steuermodelle wie aktuell die Individualbesteuerung auslöste. Diese wurde im Herbst 2024 im Nationalrat gutgeheissen, die Beratung des Ständerates steht noch aus (Stand Februar 2025).
Auch die Erbschaftssteuer, von der Ehepartner und direkte Nachkommen in allen bzw. den meisten Kantonen befreit sind, war immer wieder ein Thema, weil der Nachlass von ledigen Personen ohne Kinder massiv besteuert wird, auch dies eine stossende Ungleichbehandlung.
Rechtsgleichheit/Gleichstellung
Schon 1979 verlangte die AUF in der Vernehmlassung zur neuen Bundesverfassung, dass niemand wegen des Zivilstandes diskriminiert werden darf. Die Alleinstehenden sind jedoch nicht in der Bundesverfassung erwähnt.
Unter dem im 1981 vom Stimmvolk angenommenen Gleichstellungsgesetz wird bis heute nur die Gleichstellung der Geschlechter verstanden, die Gleichstellung der Zivilstände und Wohnformen wird ausgeklammert.
Statistiken/Zahlen
Griffige Zahlen zur Situation der Alleinstehenden sind bis heute nicht verfügbar. 2018 verlangte a.NR Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) in einem Postulat Zahlen (ihr Vorstoss wurde durch Nichtbehandlung «erledigt»). Nach einer Interpellation von SR Andrea Caroni (FDP/AR) erschien 2023 ein kurzer Bericht zur wirtschaftlichen Situation der Alleinlebenden in der Schweiz. In der Folge verlangte SR Caroni mit einem Postulat einen vertiefenden Bericht.
Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen hat das BSV im Februar 2025 einen Studienauftrag öffentlich ausgeschrieben. Dadurch dürfte die Relevanz dieser grossen Personengruppe und ihre Stellung im sozialen Gefüge endlich ins politische Bewusstsein gehoben werden. Steter Tropfen höhlt den Stein!
Haushaltabgaben
Die ungerechte Haushaltsabgabe für Radio- und TV (Serafe-Gebühr), bei der ungeachtet der Anzahl Nutzender für alle Wohnformen die gleiche Abgabe erhoben wird, ist weiterhin pendent.
Reisen/Tourismus/Freizeit
In vielen Bereichen haben Alleinstehende das Nachsehen, seien es die hohen Zuschläge für Einzelzimmer, höhere Mitgliederbeiträge bei Vereinen oder kulturellen Institutionen. Besonders stossend sind diese höheren Kosten bei mit Steuergeldern subventionierten Organisationen wie der SBB (GA-Rabatt für Paare), beim Zoo, in der Tonhalle oder im Kunsthaus.
Zu begrüssen ist, dass das Thema Singles/Einpersonenhaushalte in den Medien immer mehr Beachtung findet. So wurde und wird Pro Single Schweiz vermehrt von TV, Radio und Printmedien zu Interviews und Beiträgen eingeladen und für Stellungnahmen zu bestimmten Themen kontaktiert. Pro Single Schweiz war in namhaften Magazinen wie «Beobachter», «Saldo», «Talk Täglich» (Tele Züri), «10 vor 10» (SRF1), «Kulturplatz» (SRF1) und anderen mit Reportagen, Berichten oder Interviews präsent.
Leider hat bei Politikerinnen und Politikern auf allen Ebenen immer noch die Familienpolitik Vorrang. Wenn sozial- oder steuerpolitische Themen diskutiert werden, werden meist Ehe- und Konkubinatspaare gegenübergestellt, die Situation der Alleinstehenden findet keinen Eingang.
Es ist das Ziel von Pro Single Schweiz, diesen Zustand zu ändern – daran arbeiten wir, dafür stehen wir.